„I am proudly putting America first”, erklärte US-Präsident Donald Trump kürzlich bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Ob er das für weitere vier Jahre tun wird, entscheiden die AmerikanerInnen am 3. November 2020. Bei der 59. US-Präsidentschaftswahl kommen einige gewichtige Faktoren zum ersten Mal zum Tragen, nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie. Bringt sie Trumps Herausforderer Joe Biden den entscheidenden Vorteil?
Comeback der Wirtschaft, Comeback für Trump?
Covid-19 hat seit Anfang des Jahres über 200.000 Todesopfer in den USA gefordert und dem Land einen historischen Wirtschaftseinbruch beschert. Dass „the economy“ ein bestimmender Faktor bei amerikanischen Wahlen ist, bestätigt Dr. Stefan Rabitsch vom Zentrum für Inter-Amerikanische Studien der Universität Graz: „Wirtschaftliche Überlegungen waren oft der einzige gemeinsame Nenner für die beiden großen Parteien. Republikaner und Demokraten liegen heute weltanschaulich so weit auseinander wie zuletzt im 19. Jahrhundert. Auch ein zögerliches Comeback der Wirtschaft, so wie es sich derzeit trotz hoher Infektionszahlen abzeichnet, könnte zum Last-Minute-Bonus für Trump werden.“
Selbstbestimmung geht vor Kollektivismus
Wie der amtierende Präsident mit seiner Covid-19-Erkrankung umgeht – kürzlich warf er demonstrativ einen Mund-Nasen-Schutz bei einem Auftritt in Florida ins Publikum –, begeistert jene seiner AnhängerInnen, die auf das Recht zur persönlichen Selbstbestimmung pochen. „Dieses Recht ist in Amerika mehr als 200 Jahre lang kultiviert worden; die Haltung, dass jedeR Einzelne einen Teil zum Wohl der gesamten Gesellschaft beiträgt, ist im Vergleich dazu weniger ausgeprägt“, weiß Rabitsch. Und mit seiner Law-and-Order-Politik, die besonders im Niederschlagen der Black-Lives-Matter-Protesten sichtbar wurde, punktet der Tycoon zusätzlich bei erzkonservativen WählerInnen.
Wie kann Biden profitieren?
So viel zu Trumps Habenseite. Die Liste seiner Mankos ist zwar, zumindest aus europäischer Sicht, ungleich länger, aber kann Joe Biden sie für sich verwerten? Stefan Rabitsch: „Biden inszeniert sich als Gegenpol zu Trump: er trägt Maske, hat mit Kamala Harris eine ‚Person of Colour‘ als Running Mate gewählt und betont, gegen den Klimawandel vorgehen zu wollen. Ein reines Gegenteil des Amtsinhabers dürfte aber den meisten WählerInnen zu wenig sein.“ Biden verkörpert mit 40 Jahren Politikerfahrung zudem das Establishment, das die AmerikanerInnen 2016 abgewählt haben. Aber auch Trump hat den Außenseiter-Bonus verspielt, gibt Rabitsch zu bedenken: „Er hat seine Familienmitglieder nach und nach in Schlüsselpositionen gesetzt, so wie wir das von alteingesessenen Polit-Clans wie den Bushs oder den Clintons kennen.“
Arqus Academic Debate am 29. Oktober auf YouTube
Wie die US-Präsidentschaftswahl das Verhältnis des Landes zu Europa beeinflusst und wie China von dem durch den Rückzug der USA von der globalen Bühne entstandenen Machtvakuum profitieren will, diskutiert ein ExpertInnen-Podium der Europäischen Hochschul-Allianz Arqus am Donnerstag, 29. Oktober 2020, um 19 Uhr live auf dem Arqus-YouTube-Kanal. Stefan Rabitsch moderiert die Debatte in englischer Sprache, bei der das Publikum auch Fragen per Chat stellen kann.
Arqus Academic Debate: The US Presidential Elections – a battle for global? supremacy
ZEIT: Donnerstag, 29. Oktober 2020, 19 Uhr MEZ
ORT: online auf dem Arqus YouTube-Kanal